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Feldgeschworene und unterirdische Zeugen

 

Feldgeschworene und unterirdische Zeugen
Eine Veranstaltung in Kooperation zwischen dem Kultur- und Museumsverein Bonsweiher und dem
Geopark-Vor Ort Team Mörlenbach
 
Bonsweiher, 18.12.2019

Georg Frohna, ehemaliger Leiter der Weschnitztalschule und Mitglied im Geopark-vor-Ort-Team, referierte dazu in seinem Vortrag „Feldgeschworene und Landmesser im Weschnitztal – Hintergründe zu den Gemarkungen im Weschnitztal“ im Alten Rathaus in Bonsweiher. Dabei sprach er einerseits über die Grenzsteine und -verläufe in der Region und andererseits über die Entwicklung der Kartographie.

Die Besucher erfuhren, dass die Grenzlinien, auf denen die Steine stehen, bis heute gültig sind, auch wenn die Staaten, die sie einst errichten ließen, nicht mehr bestehen. Damit sie nicht einfach versetzt werden konnten, mussten Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden. So wurden vor dem Setzen im Boden die sogenannten „unterirdischen Zeugen“ vergraben. Dabei handelte es sich um Gegenstände, die nicht verrotteten.

Worum es sich konkret handelte, wussten nur die „Feldgeschworenen“. Im Falle von Streitigkeiten um die Steine waren sie daher von entscheidender Bedeutung. Wichtigste Voraussetzung für dieses Amt war natürlich Verschwiegenheit. Feldgeschworene durften keinen Alkohol trinken und mussten in Schreiben und Zeichnen bewandert sein.

Damit die Bewohner die Grenzen des Territoriums ihres Landesherrn kannten, mussten sie alle zwei Jahre an Grenzgängen teilnehmen. Um den jungen Burschen die Grenzziehung „einzuhämmern“, seien sie über die Grenzsteine gelegt worden und hätten ordentlich den Hintern versohlt bekommen.

Da Steine allerdings teuer waren, habe man im Mittelalter auch auf andere, billigere Alternativen zurückgegriffen, zum Beispiel Bäume. Frohna verwies auf ein Beispiel nahe Bonsweiher, wo auf der Gemarkungsgrenze eine Birke, eine Eiche und eine Buche direkt nebeneinander gepflanzt wurden und ein weithin sichtbares Ensemble bildeten. Eine weitere Methode sei das Anlegen von Wassergräben gewesen. Auch dafür gibt es ein Beispiel aus dem Weschnitztal: An der Grenze zwischen Birkenau und Weinheim – und damit auch zwischen Hessen und Baden-Württemberg – wurde vor über 300 Jahren der Kallbach angelegt. Unweit davon habe auch ein anderes von Menschen geschaffenes Werk den territorialen Übergang deutlich vor Augen geführt: der heute nicht mehr existierende Birkenauer Galgen.

Magische Kräfte

Welche Folgen die Grenzziehung für die Bewohner haben konnte, veranschaulichte Frohna anhand des Beispiels von Bonsweiher. Das Dorf habe früher zur Kurpfalz gehört, sei aber fast komplett von Kurzmainzer Territorien umschlossen gewesen. Um ihre Toten zu bestatten, hätten sie diese bis nach Schlierbach transportieren müssen. An vielen Steinen sind die Wappen der alten mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Territorialstaaten noch gut zu erkennen: Rauten stehen für die Wittelsbacher aus der Kurpfalz, das Rad für das Erzbistum Mainz und drei Sterne für die Grafschaft Erbach. Auch die Bauern hätten versucht, mit Steinen ihren Besitz abzustecken. Weil sie aber zu arm waren, um sich die teuren Grenzsteine zu leisten, mussten sie sich mit Findlingen behelfen.

Solche Steine konnten von Nachbarn natürlich leicht versetzt werden: Frohna berichtet dann von der Sage um die Seelen Verstorbener, die nachts umherirrten, weil sie zu Lebzeiten Grenzsteine versetzt hätten. Werde man von einem solchen Geist gefragt, wo er den Stein hintun solle, dann müsse man ihm antworten: „Wo du ihn herhast.“

Manchem Grenzstein hat die Bevölkerung laut Frohna magische Kräfte zugesprochen, deshalb seien immer kleine Stücke abgebrochen und als Talisman verwendet oder als Pulver zerrieben und beispielsweise gegen Warzen verwendet und dem Vieh ins Futter gerührt worden. Bei Nacht aber seien die Steine gefürchtet gewesen und die Leute hätten einen weiten Bogen um sie gemacht.

Die Vermessung des Odenwalds

Die Kurpfalz sei bei der Kartografierung des vorderen Odenwalds eine treibende Kraft gewesen und habe seit dem 17. Jahrhundert große Anstrengungen unternommen, um ihre Territorien zu vermessen. Dies belegte Frohna mithilfe zahlreicher Karten, anhand derer er auch die Entwicklung des Kartierwesens verdeutlichte.

Auch von einstigen Geometern wie dem Johann Wolfgang Grimm aus Reichenbach wusste er zu berichten, der sich im 17. Jahrhundert bei der Vermessung der Weschnitztaler Gemarkungsgrenzen große Verdienste erworben habe.

Ein rätselhafter Grenzstein, der bei Mörlenbach steht und dessen Geschichte geografisch bis zur Münchener Feldherrnhalle reicht, wird Gegenstand von Frohnas nächstem Vortrag im kommenden Jahr sein. pas

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